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Arbeitssucht erkennen

Ein Mensch, der für seine Arbeit brennt, sich voll und ganz mit seinem Job identifiziert und wenn nötig auch mal eine Überstunde macht – das klingt nach einem Hauptgewinn für jeden Betrieb. Motivierte Mitarbeiter tragen zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei.
Doch wenn das Arbeitspensum explodiert, die Arbeit den Alltag durchdringt oder selbst an freien Tagen E-Mails gecheckt oder Kunden angerufen werden, sollten Arbeitgeber genauer hinschauen. Denn hinter dem Engagement könnte auch eine ungesunde Beziehung zum Job stehen: die Arbeitssucht. Ab wann ist die Grenze zur Sucht überschritten, wie kommt es dazu und wie gehen Betroffene und Vorgesetzte damit um?

Die Grenze zwischen hoher Arbeitsbereitschaft und Sucht ist vage. Was die Diagnose einer Arbeitssucht noch schwieriger macht: Sie ist eine sogenannte nichtstoffgebundene Sucht.
Arbeitssucht ist im ICD-10 nicht aufgeführt, dem Internationalen Klassifikationssystem der
Krankheiten, das die Weltgesundheitsorganisation WHO herausgibt und als weltweit wichtigstes medizinisches Klassifikationssystem gilt.

 

Woran Führungskräfte arbeitssüchtige Beschäftigte erkennen

Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat das Phänomen untersucht und Indizien gefunden, woran Arbeitgeber bei Mitarbeitenden eine Arbeitssucht erkennen können. Es ist ein Zusammenspiel aus Krankheiten, Team-Klima, Arbeitsverhalten und Einstellung zur Arbeit.

Häufige Krankheiten und Symptome
Herz-Kreislauf-Beschwerden, Hörstürze, Blackouts, Erschöpfung, Stimmungsschwankungen, Geschwüre, Rückenschmerzen

Verhalten im Team
Ständige Kritik an Kolleginnen und Kollegen, Wutausbrüche, wechselnde Gemütslagen, Arbeitswut-Anfälle

Individuelles Verhalten
Arbeiten an freien Tagen, Vernachlässigung von Familie und Freunden, zwanghaftes Verhalten, Leugnen der Sucht, Kontrollverlust des Handelns

Arbeitseinstellung
Aufgaben werden nicht abgegeben, Kontrollverhalten, Perfektionismus
Bei arbeitssüchtigen Beschäftigten leidet auch der Betrieb
Wer ständig Extra-Meilen für das Unternehmen läuft, ist irgendwann erschöpft. Und nicht nur das: Arbeitssüchtige verlieren das Gespür für effizientes Arbeiten, da sie alle Arbeit an sich ziehen. Immerhin ist ihr Selbstwertgefühl von der eigenen Arbeit abhängig – Kooperation hat dabei keinen Platz.

Arbeitssüchtige stehen unter immensen Zeitdruck und haben gleichzeitig einen hohen Anspruch an ihre Ergebnisse. Sie neigen dazu, sich zu verzetteln und können auch Aufgaben vor sich herschieben. Denn sie entwickeln eine Furcht vor der Arbeit, da sie Angst haben, nicht gut genug zu sein. Die Folge: Deadlines werden nicht eingehalten oder keine Entscheidungen getroffen, da das Ergebnis immer noch besser sein könnte. Darunter leidet auch das Team, wenn es aus Sicht des Süchtigen zu wenig arbeitet beziehungsweise nicht rund um die Uhr erreichbar ist. Der Druck, unter dem Betroffene stehen, führt also nicht nur zu Fehlentscheidungen der Erkrankten, auch die Teammitglieder werden von arbeitssüchtigen Beschäftigten unter Druck gesetzt. Es kommt zu Fehlern, Unzufriedenheit und dem Wunsch, versetzt zu werden – oder zu Kündigungen.

 

Arbeitgeber sind gefragt

Da arbeitssüchtige Beschäftigte einen großen Einfluss auf die betrieblichen Abläufe haben, sind insbesondere Führungskräfte in der Verantwortung. Zwei Drittel der in der Studie Befragten geben an, dass sie Angst davor hätten, die Erwartungen des oder der Vorgesetzten nicht erfüllen zu können. Die Wurzeln der Arbeitssucht liegen oft schon in der Kindheit: Wer als Kind von seinen Eltern nur für gute Leistungen mit Liebe und Aufmerksamkeit belohnt wird, lernt Erfolg mit Bestätigung zu verbinden – schlechte Leistungen dagegen mit Druck und Schuldgefühlen. Im Erwachsenenalter zieht sich diese Konditionierung dann auch durch das Berufsleben. Weitere Faktoren können das Verhalten verstärken – wenn etwa private Probleme wie eine Scheidung oder der Tod eines geliebten Menschen zur Flucht in die Arbeit führen. Am Arbeitsplatz selbst befeuern unter Umständen immer mehr Aufgaben bei gleichbleibender Zeit, Unterbesetzung, Überstunden und die Angst vor Arbeitsplatzverlust den Weg in die Sucht.

Das Risiko ist entsprechend höher, je direkter der wirtschaftliche Druck an den einzelnen Mitarbeiter weitergegeben wird und je freier die betrieblichen Bedingungen gestaltet sind. Denn gerade in Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeiten verspüren gefährdete Mitarbeiter oft die Notwendigkeit, über das vorgeschriebene Pensum hinaus zu arbeiten. Deshalb sind hier Führungskräfte gefragt, diese ungesunde Arbeitseinstellung bei ihren Mitarbeitern zu erkennen und ihnen unnötigen Druck zu nehmen.

Arbeitssucht bekämpfen: Maßnahmen für Arbeitgeber

Was braucht es also? Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten analysieren, ob das Verhalten eines Mitarbeiters auf eine Arbeitssucht hindeutet. Arbeitgeber sollten die betrieblichen Rahmenbedingungen analysieren und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragen. Auch klassische Instrumente wie eine Gefährdungsbeurteilung, die auch psychische Risiken miteinbezieht, kann hilfreich sein. Arbeitssüchtige sollten bei Auffälligkeiten angesprochen werden, zudem braucht es einen Plan, wie damit umzugehen ist. Hierbei können sich Führungskräfte beraten lassen – zum Beispiel, wie sich mögliche Maßnahmenpakete in ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) integrieren lassen.

Mehr Informationen rund um das Thema Arbeitssucht gibt es im IKK Onlinemagazin Gesund.Machen.: https://www.ikk-classic.de/arbeitssucht-erkennen

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